EXPERTENINTERVIEW Ratgeber-Aktion „Gelenkschmerzen“ am 04.04.2013

Experteninterview zum Thema  „Gelenkschmerzen“

Interview mit Alexander Reinert, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Orthopädiezentrum Rankestraße in Berlin, und mit Dr. Jürgen Siebenhünen, Personal Trainer, Sportwissenschaftler, Ernährungsberater und Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement:

 

 

 

 

Welche verschiedenen Ursachen können Schmerzen in den Gelenken haben?

 

Bild entfernt.

 

  • Alexander Reinert: Die Ursachen sind vielfältig: Gelenkverschleiß kann beispielsweise Folge von Arthrose sein, dabei werden die Knorpeloberflächen geschädigt. Die Knorpeloberfläche kann auch durch Unfälle oder als Spätfolge von falsch verheilten Knochen beziehungsweise Gelenkknochen nach Unfällen geschädigt sein. Auch Instabilitäten durch Bandverletzungen mit der Folge einer Überbelastung können zu Schmerzen und Gelenkverschleiß führen. Weitere mögliche Ursachen sind Infektionen und rheumatische Erkrankungen, eine Überbelastung durch reduzierte Muskelkraft und natürlich auch Übergewicht.

Wann sollte man wegen Gelenkschmerzen einen Arzt aufsuchen?

  • Alexander Reinert: Einen Arzt sollte man bei Überwärmung und bei Schwellungen des Gelenkes, bei Ruheschmerzen und bei Blockierungen – also einer Minderung der Beweglichkeit – sowie bei Instabilitätsgefühlen aufsuchen.

Wann raten Sie dazu, sich ein neues Hüft- oder Kniegelenk einsetzen zu lassen?

  • Alexander Reinert: Dazu rate ich dann, wenn der Zustand einer fortgeschrittenen Arthrose vorliegt, wenn Schmerzen und Bewegungseinschränkungen die Mobilität und Lebensqualität stark mindern und – ganz entscheidend – wenn konservative, also nicht operative Behandlungen keinen Erfolg mehr versprechen.

Kann man schon in jungen Jahren herausfinden, ob man ein erhöhtes Risiko für Arthrose hat?

  • Alexander Reinert: Ja, das ist möglich, Fehlstellungen und Risikofaktoren können frühzeitig analysiert werden. Wenn dann rechtzeitig behandelt wird, kann das künftige Risiko minimiert werden.

Arthrose geht bei vielen mit dauerhaften Gelenkschmerzen und einer erheblichen Beeinträchtigung der Beweglichkeit einher. Kann man den Krankheitsverlauf verlangsamen oder sogar stoppen, wenn Arthrose rechtzeitig erkannt wird?

  • Alexander Reinert: Ja, es gibt moderne medikamentöse Verfahren, die den Krankheitsprozess am Gelenk verzögern und teilweise zum Stoppen bringen können. Bekannt sind sehr vielversprechende Ansätze mit körpereigenen Wachstumsfaktoren, die in die Gelenke eingebracht werden. Einen wichtigen Stellenwert hat zudem die Krankengymnastik zur Kräftigung und Bewegungsverbesserung. Wir sehen auch gute Ergebnisse bei der Nutzung von orthopädietechnischen Hilfsmitteln wie Einlagen, Schuhzurichtungen und Bandagen.

Welche Sportarten sind gelenkschonend und von welchen würden Sie eher abraten?

 

Bild entfernt.

 

  • Dr. Jürgen Siebenhünen: Grundsätzlich sind die Sportarten zu empfehlen, die eine geringe Gelenkbelastung induzieren, wie etwa Schwimmen und vor allemWassergymnastik, aber auch jede andere Form von Gymnastik, wie etwa Wirbelsäulengymnastik. Gut geeignet ist auch Fahrradfahren – vom Ergometer-Training bis hin zum Mountainbiking. Weniger geeignet sind Mannschaftssportarten wie Volleyball oder Handball, weil sie viele dynamische Sprünge sowie schnelle Start-und-Stopp-Bewegungen beinhalten, die die Gelenke belasten können. Zudem sind die Aktionen der Gegenspieler hierbei nie genau vorhersehbar.

Viele Gelenkerkrankungen sind arbeitsbedingt. Welche präventiven Maßnahmen können speziell Menschen ergreifen, die besonderen Belastungen in ihrem Job ausgesetzt sind?

  • Dr. Jürgen Siebenhünen: Besonders wichtig ist es, nicht übergewichtig zu werden beziehungsweise das Normalgewicht wiederherzustellen. Damit eng verbunden ist ein regelmäßiges und mit Spaß betriebenes Ausdauertraining. Günstig wäre zudem ein ergänzendes Muskelkrafttraining, um den Gelenken eine gute Führung und koordinative Unterstützung zu geben. Außerdem sollte man auf eine fettarme und vitaminreiche Ernährung achten, dies wirkt sich positiv auf den Erhalt der Gelenkknorpel aus. Dieser Effekt ist wissenschaftlich erwiesen, er trat unabhängig davon auf, ob Übergewicht oder Normalgewicht vorlag.

Welche konkreten Tipps geben Sie in Sachen gesunder Ernährung zur Vermeidung beziehungsweise positiven Beeinflussung von Gelenkproblemen?

  • Dr. Jürgen Siebenhünen: Achten sollte man auf eine reichliche Zufuhr von Vitamin C und Calcium, wie sie in frischem Obst und Gemüse oder in fettarmer Milch und Milchprodukten enthalten sind. Auch Ballaststoffe sind wichtig, enthalten in Vollkornbrot, Naturreis und Vollkornnudeln. Außerdem sollte man reichlich ungesättigte Fettsäuren aufnehmen, etwa durch den Verzehr von Olivenöl, Fisch und in begrenztem Umfang auch Nüssen. Vermeiden sollte man eine fleischreiche Ernährung, weitere gesättigte Fette aus Soßen, Süßigkeiten und Schokolade. Kaffee und Alkohol sollten nur in kleinen Mengen konsumiert werden.

Warum ist es so wichtig, sein Übergewicht zu reduzieren und damit das Risiko von Gelenkerkrankungen zu verringern?

  • Dr. Jürgen Siebenhünen: Das erhöhte Körpergewicht stellt per se eine stärkere Druckbelastung für die Gelenkknorpel dar. Übergewichtige haben zudem aber auch eine deutlich eingeschränkte muskuläre Leistungsfähigkeit, da sie meist wenig bis gar keinen Sport betreiben. Aus diesem Grund sind auch die koordinativen- und Gleichgewichtsfähigkeiten häufig eingeschränkt. Dadurch werden die Gelenkknorpel oft übermäßig stark und noch dazu punktuell an den immer gleichen Stellen belastet. Die Rückbildung des Übergewichts und das Durchbrechen dieses „circulus vitiosus“ ist daher sehr wichtig.

Wer unter ersten Gelenkschmerzen leidet, neigt häufig dazu, seinen Körper übermäßig zu schonen. Was halten Sie davon?

  • Dr. Jürgen Siebenhünen: Das ist das Falscheste, was man tun kann. Beim Auftreten erster Symptome wie etwa dem „Anlaufschmerz“ nach längerem Sitzen oder einem deutlichen Schmerz beim Treppensteigen ist nicht weitere Passivität, sondern Aktivität angesagt! Dazu gehören ein Besuch beim Orthopäden, geeignete physiotherapeutische Maßnahmen und leichte Belastungsformen wie Spazierengehen oder Fahrrad fahren. Ich empfehle zudem eine leichte Dehn-Gymnastik.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen